Ankerzentrum in Schweinfurt?

21. Juni 2018

Ein Statement des Vorsitzenden der SPD-Stadtratsfraktion Ralf Hofmann:

Es ist ein ungeheuerlicher Vorgang, den der Ministerpräsident Söder (CSU) zu verantworten hat. Er nimmt die Stadt Schweinfurt sozusagen in Haftung, um seinen AfD-orientierte und unchristliche Asylpolitik durchzudrücken. Es zeigt, wie wenig ihn die Bürgerinnen und Bürger wirklich interessieren und wie gering er offensichtlich auch seine eigenen Zusagen und seine Gesprächspartner Oberbürgermeister und Landrat schätzt, mit denen vor wenigen Wochen besprochen war, dass das Ankerzentrum Ende 2019 in den Connbarracks errichtet werden soll. Laut Mainpost soll die Erstaufnahmeeinrichtung nun aber schon ab 1. August zum Ankerzentrum werden.

Wichtig zu wissen: Ankerzentrum klingt harmlos, ist aber eine Lagerverwahrung für Flüchtlinge, ein "Ort der Hoffnungslosigkeit", mit dem Ziel die Menschen dort so repressiv wie möglich zu behandeln, ohne dabei zu wissen, was tatsächlich mit ihnen passieren soll.

Ohne Vorwarnung werden Stadt und Behörden vor vollendete Tatsachen gestellt. Gestern wusste offensichtlich noch niemand Bescheid. Heute wird die Entscheidung einfach verkündet.
So wie diese Lagerzentren angelegt sind, ist vorauszusehen, dass es zu großen Schwierigkeiten im Umfeld kommen wird. Die Belastung im Stadtteil Musikerviertel wird noch einmal deutlich steigern.

Schweinfurt hat 2015 zu einem kritischen Zeitpunkt mit der Eröffnung der Erstaufnahmeeinrichtung Verantwortung übernommen, leistet im Großen und Ganzen, auch Dank von hunderten Ehrenamtlichen, aber auch Dank großer städtischer Anstrengungen, sehr gute Arbeit bei der Integration von zB. rund 1.600 Syrern, die inzwischen in unserer Stadt leben. Dafür wird sie nun "belohnt" von der Staatsregierung, indem sie eine Einrichtung mit unabsehbarer Sprengkraft in die Stadt bekommt.
So sieht offensichtlich Partnerschaft zwischen Land und Kommune aus Sicht der CSU aus.

Tragisch wird das alles zusätzlich dadurch, dass noch überhaupt nicht klar ist, wie die vermeintlichen Lösungen aussehen sollen, mit denen das Ziel (ja welches denn, schnellere Abschiebung? Flüchtlinge zu das Leben so schwer wie möglich zu machen?) zu erreichen sein wird.
Die Flüchtlinge und die Stadt werden Opfer für nichts, für eine reine Symbolpolitik.

Es ist eine zutiefst verachtenswerte Haltung, die die Söder-CSU hier an den Tag legt und dabei ihren Oberbürgermeister, aber auch den Landrat vorführt. Die Staatsregierung glaubt, sich dabei alles erlauben zu können, denn schließlich ist die Stadt und der Landkreis wiederum darauf angewiesen, bei der Entwicklung der ehemaligen amerikanischen Kasernen Unterstützung zu erhalten. Eine wirklich besonders perfide Form der Erpressung, die man sonst nur aus vordemokratischen Staaten kennt.

Leidtragende werden die Anwohner vor allem im Schweinfurter Westen sein, die Polizeibeamten, die immer stärkerer Belastung ausgesetzt werden, aber genauso die geflüchteten Menschen, die, egal aus welchem Grund sie nach Deutschland gekommen sind, eine solche Behandlung nicht verdient haben.

Das Vorgehen, diese Lager an sich und vor allem wie sich die CSU im Moment gebärdet, stellen einen schrecklichen Tabubruch dar. Es wird der Wertekonsens unserer Gesellschaft praktisch aufgekündigt.

Die Republik soll eine andere werden.
Das nimmt Söder in Kauf, im Glauben, dass eine Mehrheit der Bevölkerung diesen Kurs unterstützt.
Das schlimmste dabei ist für mich aber: ich bin mir nicht mehr sicher, ob er damit nicht vielleicht sogar durchkommt.

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